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Kosovo

  • Dömi
  • 9. Jan.
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 10. Jan.


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Über Schnaps, Paläste und die Liebe zum fahrbaren Untersatz –


Da wir nach dem Kosovo nochmals nach Montenegro gefahren sind, folgt der Bericht zum Kosovo zuerst. Und das ist auch gut so. Denn die Eindrücke verblassen und von denen gab es in diesem jungen Land so einige. Arm an touristischen Hotspots vielleicht, aber unglaublich reich an Leben, Merkwürdigkeiten und Tradition.

Das zweitärmste Land in Europa, aber reich an freundlichen und herzlichen Menschen.

Und genau darum eben doch voller Sehenswürdigkeiten.

Der Kosovo ist anders, der Kosovo pulsiert, der Kosovo ist voller Energie und Leben.


In Norwegen war das dominierende Element das Meer und die Steine, in Bosnien die wunderschönen Flüsse, und im Kosovo?

Im Kosovo ist das dominierende Element ganz klar das Auto. Das ist jetzt statistisch nicht belegt, aber der Kosovo hat vermutlich die weltweit höchste Dichte an Tankstellen.

Dazu hat jedes Dorf mindestens eine Autowaschanlage und zwei drei Autogaragen, Pneuhändler, Felgenladen, Aufgummierer und Schrottplätze. Nicht zu vergessen die Autohändler, Lackierer, Abschleppdienste, Autoelektriker, Waschmittelverkäufer und Fahrschulen.


Eins ist im Kosovo wirklich auffallend: Jeder scheint hier irgendein kleines Geschäft zu betreiben, oder betreiben zu müssen.

Auch wenn es nur eine kleine Autowaschanlage ist. Auf dem Vorhof des Hauses einen kleinen Plastikpavillon platziert, Kärcher oder Wassereimer drunter, Zack - Waschanlage!

Da gibt es aber auch den Verkäufer von gebrauchten Rasenmähern, den Verkäufer von Kinderfahrrädern oder gebrauchten Baumaterialien, den Laden für Plastikadler oder für alte Röhrenbildschirme.

Dieses Gewusel von kleinen Geschäften und Marktstände erzeugt diese anfangs erwähnte geschäftige Stimmung.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass der Kosovo kaum Industrie hat und so viele dazu gezwungen sind, sich ihren Lebensunterhalt auf selbständiger Basis zu verdienen.


Ach ja! Da habe ich ein weiteres allgegenwärtiges Element fast vergessen. Den Müll. Leider ist der Kosovo auch beim unsachgemässen Entsorgen einsame Spitze. Lustigerweise wird sogar getrennt. Mitten in der Natur gibt es klar ersichtliche Plastik, Baugut oder Möbelhügel.

An ganz wenigen Stellen gibt es Tafeln, welche darauf hinweisen, das Müllentsorgen verboten ist. Daran halten sich die Kosovaren sogar und suchen die nächste Parkbucht ohne Tafel!


Wegen dem Konflikt zwischen den Kosovoalbanern und den kosovostämmigen Serben haben wir die Region um Mitrovica ausgelassen. Die Stadt ist zweigeteilt und es kommt immer wieder mal zu Ausschreitungen.


Der Grundkonflikt im und um den Kosovo sind die unterschiedlichen Perspektiven auf dessen völkerrechtlichen Status. Während die Regierung des Kosovo in Pristina die Eigenstaatlichkeit betont und das Land in der internationalen Gemeinschaft etablieren will, betrachtet man im serbischen Belgrad das Kosovo als Teil Serbiens, mehr noch: als das "Herz von Serbien".

Ihren Anspruch begründen sie mit der Schlacht am Amselfeld im Kosovo.


Dieses Amselfeld ist übrigens auch die namengebende Landschaft für den Kosovo. Der albanische Name dieses Tals ist Fusha e Kosovës und auf Serbisch Kosovo Polje.

Feld der Amsel.


In diesem Tal befinden sich viele der wichtigsten orthodoxen Klöster. 1389 kämpften serbisch-orthodoxe Christen gegen muslimische Osmanen. Seitdem geht es für die Serben um mehr als nur Territorium, es geht um ihren christlich-orthodoxen Glauben.

Mehrheitlich leben aber ethnische Albaner im Kosovo. Sie sind größtenteils muslimischen Glaubens. Sie betrachten das Gebiet als ihr Land und werfen den Serben vor, sie jahrzehntelang unterdrückt zu haben.


Bisher haben 115 Staaten den Kosovo anerkannt, darunter Deutschland und viele EU-Mitglieder. Griechenland, Rumänien oder Spanien betrachten Kosovo weiterhin als Teil Serbiens, ebenso Russland und China


Wenn ein Kosovare im Kosovo oder in irgendeinem europäischen Land zu Geld gekommen ist, will er das auch zeigen.

Die einen fahren dann teure Autos und die anderen bauen Häuser. Haus ist in diesem Falle etwas untertrieben. Es sind strahlend weisse Paläste im Stile des weissen Hauses. Säulen gestützte Vordächer, goldene Fensterrahmen, mit Statuen verzierte Gärten und Adlerfiguren aus Marmor. Das wichtigste sind aber die Eingangstore zum Anwesen. Teilweise sind die Säulenpforten und Gittertore so überdimensioniert, dass die dahinterliegenden Gebäude kaum mehr sichtbar sind. Oder noch besser gar nicht mehr gebaut wurden. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren.

Diese Paläste stehen dann irgendwo in einem Bauerndorf und wirken zwischen den anderen, unverputzten Häuser, einfach nur deplatziert. Ja, der Anblick birgt aus unserer Sicht sogar eine gewisse Komik.


Wie Anfangs schon erwähnt ist eine grosse Sehens-, Erlebens- und Erfahrenswürdigkeit in diesem Land die Bevölkerung selbst.


Die vielen und durchwegs positiven Begegnungen mit den Kosovaren machten unseren Aufenthalt zu einer wirklich schönen Erfahrung. Oft war am Anfang die Frage, was wir hier machen. Als wir dann sagten, dass wir einfach das Land anschauen wollen, kam mit erstauntem Blick die Frage:"Warum?"

Auf unsere Gegenfrage, warum nicht, hatten sie meistens keine Antwort.

In fast allen Begegnungen spürten wir einfach eine glaubhafte Freude darüber, dass wir da waren.


Ein wirklich schönes Erlebnis war der Besuch bei Musa und seinen Grosseltern. Die zwei Tage bei ihnen waren an kulinarischen Köstlichkeiten und menschlicher Herzlichkeit kaum zu übertreffen. Ein perfektes Beispiel für die kosovarische Gastfreundschaft.

Nicht nur dieses direkte Erleben der Gastfreundschaft, sondern auch, oder gerade, die kleinen Alltagsmomente machten das tägliche Unterwegssein zu was Speziellem. Das Hupen beim Überholen, das Lachen des Polizisten, das Winken des Hirten, der kleine Schwatz im Supermarkt oder der Daumen hoch bei der Sichtung unseres CH Klebers auf dem Bus.

Dieser Daumen kam übrigens meistens zusammen mit Worten wie: Switzerland the best, Shaqiri, oder Xhaka.

Die Schweiz scheint im Kosovo sehr beliebt zu sein und wird an vielen Orten als Qualitätsmarke verwendet. Swiss Auto, Swiss Bakery usw. Es gibt sogar eine Tankstellenkette welche sich Swiss Oil nennt. Wir lassen die Kosovaren mal im Glauben das dieses Öl wirklich aus der Schweiz kommt.


Was uns sonst noch aufgefallen ist:


Die Strommasten entlang der Strassen.

In der Schweiz sind die Strommasten ja dazu da, die Kabel auf einer für Mensch und Tier unerreichbaren Höhe zu halten. Die Aufgabenverteilung war im Kosovo zum Teil genau umgekehrt. Da hatten die Kabel die Aufgabe den durchgefaulten Mast in einer für Mensch und Tier ungefährlichen Position zu halten.


Die Verkehrsberuhigung.

In farblich gleichem Aspalt wie die Strasse und ohne irgendeine Vorwarnung tauchten auf kosovarischen Strassen Bodenwellen auf.

Diese etwa 7cm hohen und 10cm breiten Kanten haben dir jedes Mal fast die Achsen unter dem Hintern weggeschlagen. Darum glauben wir, dass diese Bodenwellen von den Autogaragen platziert wurden. Keine schlafende Polizisten also, sondern eher schlafende Arbeitsbeschaffung.

Die Dinger dienen ja eigentlich zur Sicherheit der Fussgänger, werden von den Einheimischen aber oft einfach auf dem Bürgersteig umfahren.


Die Bauaufsicht.

Wir wissen nicht wie stark der Kosovo unter dem Krieg gelitten hat. Was uns aber auffiel, ist, dass es im Gegensatz zu Bosnien und Herzigovina kaum mehr sichtbare Kriegsspuren gibt. Vielleicht ein weiteres Zeichen für die spürbare Zukunftsorientierung dieses Landes.

Beim Bauen passieren hier aber einige lustige Dinge die wir nicht immer ganz verstanden haben. Denn nicht nur bei den pompösen Palästen, sondern ganz grundsätzlich sieht man dem Kosovo das Nichtvorhandensein jeglicher städteplanerischer Instanzen irgendwie an.

Lustige architektonische Experimente, Balkone ohne Geländer, Türen im zweiten Stock ohne Balkon, aussenliegende Treppen, abenteuerliche Konstruktionen und Provisorien. Dieses bunte und chaotisches Ensemble macht den Kosovo aber irgendwie aus.


Für uns war die kurze Reise durch das jüngste Land Europas definitiv eine schöne Erfahrung. Wer also mal etwas fernab touristischer Pfade erleben will und sich dabei einfach willkommen zu fühlen, dem sei der Kosovo ans Herz gelegt.


Sprichwort:


Bukë, e krip, e zemër", Brot, Salz und Herz

meint das der Kosovare in schwierigen Zeiten alles Teilt. Brot, Salz und sogar das Herz.

 
 
 

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