Montenegro
- Dömi
- 27. Juni
- 5 Min. Lesezeit

Über morgendliche Pfannkuchenlieferung frei Bus, das Fahren auf Wegen wo andere wandern und fliegende Markisen –
"Als unser Planet entstand, muss sich die schönste Begegnung zwischen Meer und Land an der montenegrinischen Küste zugetragen haben. Und als die Perlen der Natur verteilt wurden, wurden sie mit vollen Händen in dieses Gebiet gestreut." Das schrieb der englische Dichter Lord Byron, als er Ende des 18. Jahrhunderts in Montenegro war.
Im kleinen Balkanland leben 625.000 Einwohner, Montenegriner, Serben und Albaner. 2006 wurde Montenegro unabhängig, 2017 folgte die NATO-Mitgliedschaft von Montenegro. Nicht mal 300 Kilometer misst der montenegrinische Küstenstreifen. Die andere Hälfte Montenegros gehört den Bergen und den wunderschönen Nationalparks.
Genau diese Nationalparks prägten den ersten Teil unserer Reise durch das Land.
Dabei ging's entlang der Piva, durch den Durmitor Nationalpark und über die Taraschlucht. Faszinierende Berglandschaften und spektakuläre Strassenführungen machen diese Region zu einem wahren Genuss. Im Biogradska Gora Nationalpark haben wir auf unserer App gesehen, dass es 7 km weiter oben einen kleinen Campingplatz gibt. In der Beschreibung stand: "bitte nur mit Allradfahrzeugen probieren". Haben wir ja! Also los!
Kaum losgefahren waren die Wegweiser plötzlich rot-weiss-rot, was bekanntermassen das Zeichen für einen Wanderweg ist. Diese Tatsache erklärt auch die vielen Wanderer, die uns mit etwas fragendem Blick entgegen kamen.
Auf der Onlinekarte sahen wir die 16 Spitzkehren, welche wir zu bewältigen hatten und wussten, dass der Campingplatz 1100 Höhenmeter weiter oben lag.
Die Ausgangslage:
Die Kehren waren so eng, dass man nicht in einem Mal durchkam. An der Innenseite der Kurve war der Weg so ausgefahren, dass eine kleine Rampe entstand. Auf der Aussenseite war der sehr steile Abhang. Der Weg war steinig und ausgewaschen. Jessi ist gefahren und ich war der Anweiser ausserhalb.
Das Vorgehen:
Möglichst weit an den äusseren Abhang fahren, im richtigen Moment einlenken und fahren bis die Stossstange die bergseitige Böschung berührt. Rückwärts wieder möglichst nahe an den Abhang und Lenkung korrigieren.
Dann Geländegang und Diffsperre rein und über die Rampe auf der Innenseite der Kurve. Da dabei immer ein Vorderrad in der Luft war, musste das Ganze mit Schwung passieren damit die gesperrte Hinterachse genug Kraft entwickeln konnte, um den Bus über die Rampe zu stossen. Das Ganze war wie gesagt 16 Mal zu wiederholen.
Wir kamen ziemlich fertig oben an.
Danach ging's zwei Tage auf Pisten durch den Nationalpark.
Der nächste Übernachtungsplatz nannte sich Weskos Campingplatz.
Da niemand zu sehen war, haben wir unseren Bus mal irgendwo auf der grossen Wiese hingestellt. Nach einigen Minuten kam da plötzlich ein älterer Herr im genauso alten Trainingsanzug, mit Schuhen, welche eigentlich für den Schutz vor Seeigeln gedacht sind und einer Frisur, die neue Massstäbe für den Begriff "Bad Hair Day" setzt. Wortlos ging er an uns vorbei in den Garten und kam wenige Minuten später mit Gemüse in der Hand zurück. In gutem Deutsch, aber mit einem Ostblock Akzent, mit dem er jeden 80er Jahre Agentenfilmbösewicht synchronisieren hätte können, sagte er „Hallo“ oder eben „Challo ich bin Wesko, Willkommen! Gemüse ist für euch, Essen und Trinken gibt's bei mir auch.“
Nach einer Wanderung ins Mitrivica Tal haben wir Wesko in seinem uralten Häuschen neben dem Campingplatz besucht, um etwas zu trinken.
Er tischte Ziegenkäse und selbstgemachten Kornelkirschensaft auf. Die Bedenken über den hygienischen Zustand des Saftes waren nach dem ersten Schluck verflogen. Der Saft war so mit Honig gesüsst, dass der auch in 20 Jahren noch geniessbar sein wird. Und ansonsten hätte der Quittenbrand, den es als nächstes gab, die verbleibenden Bakterien ohnehin abgetötet.
Als wir bezahlen wollten, winkte er ab und sagte „Sicher nicht, das gehört zu meinem Service."
Am nächsten Morgen klopfte es um 8 Uhr an unseren Bus. Da stand Wesko, die Frisur über Nacht keineswegs gezähmt, mit einem Teller voller frisch gemachter Pfannkuchen mit Marmelade. „Jeder zwei!“ sagte Wesko und ging zum nächsten Camper.
Wesko war gewiss eine etwas kauzige Gestalt, aber ein wunderbares Beispiel für die Gastfreundschaft im Balkan.
Beim Reisen stösst man auch immer mal wieder auf Menschen mit einem lustigen Beruf. Da ist der bei uns längstens ausgestorbene Tankwart noch einer der bekanntesten.
Im Tal der Piva führt die Strasse über den Staudamm des Pivalake.
Da die Aussicht auf dem Damm so schön war, wollten wir für ein Foto anhalten. Kaum ausgestiegen, hallte eine kurze Sirene durch das enge Tal, gefolgt von einem „No Parking“.
Und da sass er! Auf einem klapprigen Stuhl, Hund an der Seite, Megaphon in der Hand und einem Schmunzeln in den Mundwinkeln: Der Staudammüberwachungsfachmann!
Auch gibt es beim Reisen immer mal wieder Situationen mit Lerneffekt.
Gehe nie davon aus, dass sich die Wetterbedingungen über Nacht nicht ändern. Schon mehrfach waren am Morgen unsere Stühle oder Schuhe nass da es trotz Sternenhimmel am Abend am nächsten Morgen regnete. Wie beim Wasser ist es auch beim Wind. Durch starke Windgeräusche aufgeweckt wurde uns sofort bewusst, dass wir unsere Markise nicht gesichert hatten.
Jessi stand auf, um sie zu sichern. Im Moment als sie die Markise greifen wollte, kam eine starke Böe und die ganze Markise flog in einem Halbkreis auf die andere Seite unseres Busses. Hätte sich Jessi in diesem Moment bereits festgehalten, sie wäre ziemlich sicher zurück nach Bosnien geflogen. Neben ein paar verbogenen Alustangen ging dabei erstaunlicherweise nichts kaputt. Auch deswegen, weil die schwere Alustange direkt auf unsere Zusatzkanister schlug.
Der Wind war der Vorbote für eine Regenfront, welche uns mit voller Härte traf. Da es vorher Monate nicht geregnet hatte, schwemmte der Regen die Berghänge komplett aus und überall fielen Steine auf die Strasse. Es begann ein Spiessrutenlauf zwischen fallenden und bereits auf der Strasse liegenden Steinen den Berg hoch in Sicherheit.
Schon durch den ganzen Balkan verfolgte uns ein geheimnisvolles Geräusch. Auch später in Albanien war es immer wieder zu hören. Es tauchte an den entlegensten Orten auf. An Orten fern ab der Zivilisation, irgendwo im Wald oder an einsamen Stränden. Ein dumpfes, kurzes Blob. Kaum wahrnehmbar, kaum lokalisierbar. So vergingen Wochen bis wir uns des Geräuschs überhaupt bewusst wurden. Bis das unbewusst wahrgenommene Geräusch tief im Gedächtnis auf ein genauso unbewusst abgespeichertes Pendant stiess. Noch länger ging es, bis wir feststellten, dass wir beide das Geräusch hörten.
Die Suche nach der Quelle ließ uns immer wieder ratlos am vermuteten Ort stehen.
Einbildung, ein unbekanntes Tier, Magie?
Zu unterschiedlich die Orte um eine Gemeinsamkeit zu finden, keine offensichtliche Verbindung all dieser Plätze und Landschaften. Oder doch?
Eines Tages, wir saßen gerade vor dem Bus, war das Geräusch plötzlich ganz nah. Sozusagen auf unserem Tisch, sozusagen direkt aus unserer PET Flasche!!!!!!
Das gesuchte Geräusch stammt von Kunststoffbehältern, welche sich durch die Erwärmung ausdehnen und so diesen Blop-Ton erzeugen. Und diese liegen leider in grosser Stückzahl in der Landschaft herum...
Von den Bergen Montenegros ging's für kurze Zeit entlang der Küste. Bedauerlicherweise ist der Küstenstreifen sehr touristisch und stark verbaut. So ist es schwierig geeignete Schlafplätze zu finden. Die kleinen Orte Kotor und Budwa sind zwar hübsch, aber total überlaufen. Sobald ein Tourist das Haupttor durchschreitet, wird am anderen Ende des Städtchens ein anderer aus dem Städtchen gedrückt. Und da sich einige Kreuzfahrttouristen auf der Kreuzfahrt eine ordentliche Verdrängungsmasse angefuttert haben, standen auf der anderen Seite plötzlich ganze Reisegruppen wieder ausserhalb der Stadtmauer.
Am Hafen von Kotor haben wir uns mit Berni getroffen und haben uns dann kurz dieses Spektakel innerhalb der Stadtmauern angeschaut. Doch ein kurzer Blick auf die Preise in den Speisekarten der Restaurants hat uns wieder vor das Stadttor getrieben. Wir sind mit Berni in die Berge geflüchtet, haben uns in unserer VW t3 Wagenburg verschanzt und einen wunderschönen Abend in guter Gesellschaft genossen! Vielen Dank, Berni, für das schöne Wiedersehen und dein „Mitreisen“ über Polarsteps.
Von da aus ging's entlang des Skutari-Sees und durch uralte Kastanienwälder an die Grenze von Albanien.
Was uns sonst noch aufgefallen ist:
Überall im Land trifft man auf Basketballkörbe. Manchmal mitten im Nirgendwo.
Ein montenegrinisches Sprichwort besagt:
Ако видите друге како једу и пију, идите тамо! Ако их видите како раде, бежите одавде!
„Wenn du jemanden beim Essen und Trinken siehst, gehe dort hin! Wenn du sie bei der Arbeit siehst, laufe weg!“
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